Camaro- ein Erfahrungsbericht mit Ecken und Kanten

Camaro, Segugio Mix, geb. 2015- auch ein steiniger Weg führt zum Ziel

Foto: Nadine Priester: www.np-fotografie.de

 

ein Erfahrungsbericht- ein Hund mit Ecken und Kanten

 

Wenn ich an das vergangene Jahr zurückdenke, sehe ich einen wirklich steinigen Weg, der viele Tränen der Verzweiflung gefordert hat, der uns jedoch auch gelehrt hat, die Flinte nicht zu früh ins Korn zu werfen, denn auch ein steiniger Weg führt zum Ziel. Dieser Erfahrungsbericht soll allen Mut machen, die vielleicht verzweifelt sind, weil es eben nicht so klappt, wie vorgestellt.

Bleibt am Ball- es lohnt sich! (Sorry, ist etwas länger geworden)

 

Vor ziemlich genau einem Jahr, am 03.10.2017, bekam ich einen Anruf von unserem befreundetem Tierarzt. Er wusste, dass wir nach dem Tod unseres Hundes im Dezember 2015, immer mal nach einem neuen Zweithund geschaut hatten, uns aber nie so richtig zu einer Entscheidung durchringen konnten.

Alle unsere Tiere haben eine Vergangenheit, ihr Start in ein Leben mit Menschen war eigentlich bei all unseren Tieren durchwachsen. Wir wollten wieder einem ungewollten Hund eine Chance geben.

 

Unser Tierarzt erzählte mir also am Telefon von einem Hund, der vor ein paar Tagen (!) aus Italien nach Deutschland auf eine Pflegestelle gekommen war. Die Pflegestelle sei jedoch total überfordert und habe gefordert den Hund binnen 48 Stunden abzuholen. Der Hund hätte noch nicht einmal Zeit zur Eingewöhnung gehabt. Wir würden doch einen Hund suchen, ob wir nicht kurzfristig wenigstens als Pflegestelle einspringen könnten. Der 2 jährige Rüde sei wirklich in Not. Bereits am Telefon sagte ich „Du weißt schon, dass wer bei uns einzieht, der zieht nie wieder aus.“

Ich sprach mit meinem Mann, der einwilligte in erster Linie unserem Tierarzt aus der Patsche zu helfen.

Bereits am nächsten Tag wurde Camaro zu uns gebracht und wir begaben uns auf einen Kennenlernspaziergang mit unserer schon vorhandenen Hündin. Ich war total hin und weg zum einem von diesem süßen Hund, aber auch, weil unsere Hündin, die eigentlich nicht so super verträglich mit anderen Hunden war, sofort artig mit ihm umging. Nach kurzem Gespräch erklärten wir uns bereit Camaro eine Chance zu geben. Wir erfuhren über seine Vergangenheit, dass er bereits als Welpe in einem Canile in Italien gelandet war. Dort war eine Familie auf ihn aufmerksam geworden, die ihn adoptierte. Der Teenager der Familie war ausschließlich für die Versorgung des Welpen zuständig. Als der Welpe aber dann nicht mehr so süß war, wurde er in einen kleinen Verschlag gesperrt. Wohl aus Langeweile nutzte er jede Gelegenheit um abzuhauen und sein Leben auf eigene Faust etwas spannender zu gestalten.

Seine Rückkehr zu seiner Familie „belohnte“ diese damit, dass sie ihn an einer kurzen Leine anbanden und entschieden ihn wieder in das Canile zu bringen. Bevor der Plan umgesetzt werden konnte, wurde Chiara auf ihn aufmerksam und überredete die Familie ihn zu sich nehmen zu können. Die Pflegestelle, in der er sich in den letzten Tagen befand, wollte etwas Gutes tun und nahm in auf. Allerdings stimmte offensichtlich die Chemie nicht, denn nachdem Camaro in der Wohnung markiert hatte, entschied diese ihn Tag und Nacht angeleint zu lassen, selbst wenn sie schlief. Es war offensichtlich eine gute Entscheidung der Pflegestelle Camaro abzugeben, auch wenn die Fristsetzung alles andere als fair war.

Da war also unser ungewollter Hund.

Die ersten Wochen verliefen nahezu traumhaft. Wir hatten einen tollen Hund, der Spaß an uns hatte, der mit unserem 7 jährigen Sohn klar kam, der hörte und unsere alte Dame (11 jährige belg. Schäferhundmischling) wieder aus ihrer Depression, in die sich nach dem Tod unseres anderen Hundes gefallen war, rausholte. Kurzum ein Traumhund. Auch das Markieren hatten wir binnen kürzester Zeit in den Griff bekommen. Wir konnten gar nicht verstehen, warum die Familie oder auch die Pflegestelle Camaro abgegeben hatten. Einziger Knackpunkt war, dass er bei Spaziergängen sehr an der Leine zog. So doll, dass ich richtig Rückenschmerzen bekam… aber gut, das sollte sich wohl irgendwie mit etwas Erziehung legen.

 

DOCH DANN…

nach ein paar Wochen, es war Anfang Dezember und wir hatten uns dazu entschieden Pflegestellenversager zu werden und diesem tollen Hund ein Für immer zu Hause zu geben („wer einzieht, zieht nicht mehr aus“) da fühlte sich Camaro heimisch und legte so richtig los. Kleinstes Problem war nur, dass er anfing wie eine Elster zu klauen. Egal wo wir etwas essbares oder auch nicht essbares stehen ließen, Camaro kam und holte es sich, bevor wir es merkten. Sogar der Adventskalender unseres Sohnes wurde in seine Einzelteile zerlegt und die Schokolade gefressen. Anstatt besser an der Leine zu laufen, wurde es immer schlimmer. Ich stürzte sogar häufiger während Spaziergängen, wenn ich mich auf Glatteis befand und Camaro meinte sich extrem in die Leine zu werfen.

Der vorläufige Höhepunkt war jedoch erreicht, als er uns innerhalb von 3 Wochen 4mal aus dem eingezäunten Garten abhaute. Wir leben zwar im Außenbereich einer kleinen Stadt auf einem Bauernhof, allerdings ist unser Hof von 2 viel befahrenen Straßen umgeben. Camaro blieb immer in Sichtweite, ließ sich jedoch nicht abrufen und folgte, wie das ein Jagdhund eben so tut, seinem Instinkt: dem Jagen.

Ich erinnere mich noch sehr gut wie verzweifelt ich war. Ich konnte ihn zwar sehen, allerdings sah ich auch wie er in Richtung der Bundesstraße lief und von beiden Seiten LKWs kamen. Ich dachte immer nur, dass wenn etwas passieren sollte, dann solle bitte kein Menschenleben gefährdet werden. Gott sei Dank konnten wir Camaro immer wieder wieder einfangen ohne das etwas passierte, doch so konnte es nicht weitergehen.

Ich war so verzweifelt, dass ich tatsächlich bei Frau Vogt anrief und sie tränenüberströmt bat, ein anderes zu Hause für Camaro zu suchen. Frau Vogt nahm sich sehr viel Zeit für mich und meine Sorgen. Gemeinsam vereinbarten wir ein neues zu Hause für Camaro zu suchen.

 

Über diese Entscheidung schlief ich noch 2 Nächte. In diesen Nächten merkte Camaro offensichtlich, dass ich, obwohl es das erste Tier gewesen wäre, das ich jemals abgeben würde, bereit war ihn erneut auf die Reise zu schicken. Ich war am Ende mit meinen Kräften.

Plötzlich suchte Camaro erneut meine Nähe, er krabbelte sogar, obwohl es eigentlich verboten war, nachts unter meine Bettdecke und schlief in meinen Kniekehlen, angekuschelt an mich. Er war soooo warm und kuschelig.

 

Meine Familie und ich entschieden Camaro noch ein Chance zu geben. Aber ich merkte, dass ich ohne die Hilfe eines Hundetrainers nicht weiterkommen wurde. Ich sträubte mich zunächst dagegen, weil ich ja hundeerfahren war, aber hier war ich echt am Ende.

 

Gemeinsam mit dem Hundetrainer, dem ich heute so unendlich dankbar bin, arbeiteten wir an unserer Beziehung und gerade als ich dachte es geht bergauf, passierte das Schrecklichste:

Camaro knurrte in einem von mir unbeobachteten Moment unseren Sohn an und schnappte sogar nach ihm. Für mich brach eine Welt zusammen. Ein Hund, der mein Kind beißt, wie sollte das gehen? Wieder war ich soweit Camaro auf die Reise zu schicken. Sollte sich jemand anderes um ihn kümmern, ich auf keinen Fall. Er hatte seine Chance und hatte sie verspielt.

 

Völlig verzweifelt erzählte ich unserem Hundetrainer von dem Vorfall. Sofort trafen wir uns, gemeinsam mit meinem Sohn. Mein Sohn arbeitete gemeinsam mit dem Hundetrainer ein paar Minuten mit Camaro und dieser versicherte mir, dass Camaro meinen Sohn nicht verletzen wollte, denn dann hätte er es getan, ohne Probleme. Gemeinsam erarbeiteten wir einen Weg wie wir, aber auch unser Sohn, mit Camaro umgehen sollten. Zwar behielt ich meinen Sohn und Camaro immer im Auge, wenn diese miteinander umgingen, aber mit der Zeit merkte ich, dass der Weg Früchte trug.

Unsere Beziehung wurde immer besser.  Auch wenn wir manche Rückschritte machten, in denen ich unserem Hundetrainer öfter anbot, ihm Camaro zu überlassen, machten wir plötzlich enorme Fortschritte.

 

Im April 2018, also ein halbes Jahr, nachdem Camaro seine Pfoten in unser Leben gestellt hatte, fuhren wir das erste mal gemeinsam mit 2 Kindern und 2 Hunden in den Urlaub an die Nordsee. Ich hatte große Bedenken, denn trotz weiterem Training ging Camaro immer noch nicht so gut an der Leine, wie ich mir das vorstellte. Ableinen war überhaupt nicht möglich. Interessanterweise wurde dieser Urlaub einer der schönsten Urlaube, die wir bislang hatten. Wir sind alle super zusammengewachsen.

Im Sommer begannen wir langsam wieder damit Camaro im umzäunten Garten laufen zu lassen. Dies hatten wir den gesamten Winter gemieden, um ihm nicht noch einmal die Möglichkeit des Weglaufens zu geben. Nach und nach merkten wir, dass er gern im Garten war. Er war glücklich einfach in der Hundehütte zu liegen und den Fahrradweg zu beobachten. Gut, der ein oder andere Fahrradfahrer wurde angebellt, aber das Leben soll ja auch etwas Spaß machen 😉

Mittlerweile können wir ihn, wenn wir z.B. im Stall sind, stundenweise mit unserer Hündin draußen lassen ohne Angst zu haben, dass er abhaut. Ich finde, das ist eine viel schönere Umgebung, als im Haus eingesperrt zu sein.

 

Abends liegt er an mich gekuschelt auf der Couch. Hauptsache er kann Körperkontakt haben und am besten eine Decke liegt über ihm… was eine Mimose… wir haben doch erst Ende September.

 

Kurzum: Ich habe das Gefühl, dass er nach 2 Jahren des Herumreichens und 1 Jahr Eingewöhnung endlich angekommen ist und verinnerlicht hat, dass dies sein zu Hause ist. Was hätte es auf dieser kleinen Hundeseele hinterlassen, wenn auch wir aufgegeben hätten und ihn erneut auf die Reise geschickt hätten?

 

Dieser kleine Hund hat uns hundeerfahrene Menschen gelehrt, dass auch wenn man Erfahrung hat, man sich vor Hilfestellungen nicht verschließen sollte. Das wichtigste aber, was uns Camaro gelehrt hat, ist niemals aufzugeben, denn auch wenn der Weg noch so steinig ist, irgendwann kommt man ans Ziel. Habt Geduld und vertraut auf Euch und Euren Hund!

 

Wir haben unser Ziel noch lange nicht erreicht, denn Camaro ist geprägt von seinen Erfahrungen. Aber ich bin mir sicher, dass wir mit Geduld und Liebe noch viel erreichen werden und wer weiß, vielleicht können wir den Ausbrecherkönig mit enormen Jagdtrieb vielleicht irgendwann ableinen.

 

Alles kann… nichts muss. Die Zeit wird’s bringen  🙂

Ich danke den Mariechen für die unkonventionelle Art Camaro aufnehmen zu können, die Chance, die ihr uns gegeben habt und das offene Ohr, das ihr für uns hattet. Ihr macht einen tollen Job! Gebt niemals auf!